(Bild: Collee Allison Barjas)
Ein Schweizer, der sich entschliesst in die USA auszuwandern, um dort mit Musik seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und das mit Erfolg. Das hört man nicht alle Tage!
Jetzt ist Carlo Ribaux zurück in der Schweiz. Wie lange, das weiss er nicht.
Was ihn bewegt und wie er sein Leben bestreitet, darüber haben wir gesprochen.
Wie geht es dir zurzeit? Macht dir die aktuelle Situation als Kulturschaffender Angst?
Mir geht es ganz OK. Es war ein recht schwieriges Jahr für die Kultur allgemein. Finanziell habe ich glücklicherweise keine Ängste, aber ich hatte mit meiner Gesundheit zu kämpfen
Erzähl mir bitte mehr darüber.
Ich wurde im September mit der unheilbaren Hashimoto Auto-Immun Krankheit diagnostiziert. Diese betrifft die Schilddrüse und bewirkt eine Unterfunktion. So wird man unter anderem extrem müde. Glücklicherweise kann man die Krankheit gut behandeln und es geht mir heute wieder besser. Es war ein steiniger Weg, weil ich lange keine Diagnose hatte, da die Krankheit bei Männer oft nicht erkannt wird. Ich bin ich froh, dass ich die Krankheit nun im Griff habe.
Ich weiss, dass du bis vor kurzem in Los Angeles gelebt hast. Wo befindest Du dich jetzt?
In Zürich, zusammen mit meinem Mann. Wir lernten uns vor gut zwölf Jahren in der Heldenbar kennen. Aber bereits drei Monate danach bin ich in die USA ausgewandert und habe mein Studium in Angriff genommen. Die Beziehung hielt aber trotz der grossen Distanz in all den Jahren. Wir sahen uns regelmässig – mal in der Schweiz, mal in den USA. Nun bin ich seit März 2020 und dem Ausbruch der Corona Pandemie wieder zurück in Zürich.
Wie sah dein Leben in LA vor Corona aus?
Meinen Lebensunterhalt habe ich als Session- und Touring-Schlagzeuger verdient. Meine Arbeitgeber waren Bands und Künstler_innen. Mit ihnen spielte ich weltweit Konzerte und nahm Platten auf. Ich habe auch Filmmusik eingespielt und komponiert, zum Beispiel für ein bekanntes Video der New York Times und die Neuauflage der Tom & Jerry Show. Daneben arbeitete ich mit meiner Punk Band Victory Kid an neuen Songs. Ich lebte mit den Geschwistern der Band Zibbz und ihren jeweiligen Partnern zusammen in einem Haus etwas südlich von Hollywood und wir gingen oft surfen. Ich genoss das Leben in LA sehr.
Und dann kam Corona.
Ja, und Trump schloss als erstes die Grenzen. Niemand wusste, wie schlimm es werden wird, und ob eine Rückreise bald schon unmöglich sein würde. Ich sagte schon immer: Ich liebe es in Amerika zu leben, aber ich will hier nicht sterben. Darum entschied ich mich in die sichere Schweiz zurück zu kehren.
Vermisst du die Arbeitsmöglichkeiten nicht?
Doch! Im Februar 2020 spielte ich beispielsweise ein Konzert vor Dhani Harrison, dem Sohn des Beatles Gitarristen George Harrison. Er war begeistert von mir, und es bahnte sich eine Zusammenarbeit an. Das wäre natürlich ein Ritterschlag für mich gewesen. Wegen Corona materialisierte sich dieses Projekt jedoch nie.
Ich hatte mir in den letzten zehn Jahren ein grosses Netzwerk aufgebaut. Ich arbeitete regelmässig mit Musikern von Third Eye Blind, Ugly Kid Joe und auch mit Kendall Schmidt von der Boy Band Big Time Rush. Mit ihm machte ich eine Süd- und Mittelamerika Tournee. Mit Chris Freeman von der legendären Queercore Band Pansy Division spiele ich einer schwulen Hard Rock Band namens MARY und ich half ab und zu in seiner sehr unterhaltsamen Comedy-Tribute Band GayC/DC aus. Ich spielte auch immer wieder im TV – zuletzt an den Video Game Awards für über 20 Millionen Leute. Kurzum, ich konnte von der Musik leben. Es wird eine Weile dauern, bis ich das hier kann.
Willst du wieder zurück nach LA?
Sobald das Reisen wieder uneingeschränkt möglich sein wird, will ich auch wieder Zeit in Los Angeles verbringen. Zurzeit arbeite ich mit meiner Band Victory Kid an neuen Songs. Meine Bandmitglieder nehmen ihre Ideen in LA auf und ich in meinem Studio hier in Zürich. Das funktioniert zwar, kann den persönlichen Austausch vor Ort nicht komplett ersetzen. Auch der Zeitunterschied erschwert die Kommunikation. In anderen Projekten ist es ähnlich. Darüber hinaus sind noch immer viele meiner Instrumente und fast alle meiner Kleider in LA. Die Abreise war sehr überstürzt.
Planst du mittelfristig hier oder in LA zu sein?
Im Moment baue ich mir ein Standbein hier in der Schweiz auf und habe trotz Corona erste Kontakte und Engagements. Zudem bot sich die auftrittsfreie Zeit an, ein Masterstudium in Musik und Pädagogik in Angriff zu nehmen. Auch meine Band orientiert sich mehr und mehr in Richtung Europa – wir sind zur Zeit in Vertragsverhandlungen mit einem österreichischen Plattenlabel. Auf der anderen Seite wäre es wenig zielführend, die Zelte in den USA nach zehn Jahren einfach abzubrechen. Ich glaube es warten da noch einige interessante Geschichten auf mich. Ich werde darum weiterhin interkontinental unterwegs und in Zürich wie auch Los Angeles anzutreffen sein. Zudem sind viele meiner Gigs ohnehin international. Da ist es nicht so wichtig, an einem bestimmten Ort zu wohnen.
Viele Künstler_innen in der Schweiz müssen wegen dem Virus mit grossen Einnahmebussen leben. Wie sieht es für dich nun finanziell aus?
Auch ich hatte riesige Einbussen. Im Sommer fiel zum Beispiel eine ganze UK Tour mit Victory Kid ins Wasser. Ich kriegte beide US-Stimulus Checks, doch für Arbeitslosengeld wollte ich mich nicht bewerben. Denn dies erschwert die Erneuerung des Künstler Visums, auf das ich angewiesen bin. Glücklicherweise hatte ich weiterhin einige Recording Aufträge aus LA, die ich in Zürich ausführen konnte. Und auch in der Schweiz hatte ich hie und da einen Auftrag. Aber meine Karriere hier steckt noch immer in den Kinderschuhen.
Was möchtest Du noch erreichen?
Am meisten Freude bereitet es mir gute Musik mit guten Menschen zu machen. Ich liebe es mit Musik zu reisen und wünsche mir in Europa auf Tournee zu gehen. Bisher durfte ich das vor allem in Nord- und Südamerika, sowie in Asien erleben. Ich würde sehr gerne an einigen der legendären Europäischen Open-Air-Festivals spielen, da ich selbst ein Open-Air Fan bin. Mein erstes Ziel ist jedoch die Mithilfe beim Wiederaufbau unseres kulturellen Lebens. Die Musikwelt wurde und wird hart von der Pandemie getroffen. Es braucht uns alle, um möglichst rasch wieder zur alten Normalität zurückkehren zu können.